Wie heißt Du? Woher kommst Du? Wie lange lebst Du schon in Berlin?
Was ist Deine Aufgabe bei «Arbeiten in Norwegen»?
Mein Name ist Gunn Rogge und ich komme aus Norwegen von einer kleinen Insel bei Bergen. Ich bin 1982 nach Berlin gezogen da mein Mann Berliner ist. In 2001 hatte ich die Idee, dass ich Deutsche Handwerker und andere Fachkräfte nach Norwegen vermitteln kann. Damals waren es 5 Millionen Arbeitslose in Deutschland und in Norwegen war der Arbeitskräftemangel sehr groß.
Meine tägliche Arbeit: Bewerbungen lesen und beurteilen, Anfragen beantworten, Bewerbungen ins Norwegische übersetzen, Vorstellungsgespräche am Telefon zu führen, mit Arbeitgeber in Norwegen zu sprechen, Bewerbungen mit meiner Übersetzung an den Arbeitgeber weiterzuleiten und danach mit dem Arbeitgeber über die Bewerbung zu reden. Wenn ich keine konkreten “Bestellungen“ von einem Arbeitgeber habe, suche ich eine passende Stelle in dem ich die Stellenausschreibungen genau lese, um eine passgenaue Stelle für den Bewerber zu finden. Das ist eine sehr zeitaufwendige Arbeit.
1. Für viele Deutsche wirkt Norwegen wie ein gelobtes Land – alles ist besser in Skandinavien. Gibt es spezielle Voraussetzungen, die Auswander*innen mitbringen sollten, um dauerhaft in Norwegen das Glück zu finden?
Ja, gute Englischkenntnisse, flexibel im Kopf, gute Fachkenntnisse, Geduld, da nicht alles immer gleich super passend ist. Nie negatives über Deutschland sprechen gegenüber norwegischen Kollegen und Vorgesetze, das macht immer einen sehr schlechten Eindruck. Auf dem Arbeitsplatz geht es freundlich und entspannt zu, das bitte nicht mit Schlendrian verwechseln! Wichtig ist es Verantwortung für die eigene ausgeführte Arbeit zu übernehmen. Die Bereitschaft zeigen, schnell Norwegisch lernen zu wollen. Ansprüche stellt man nicht die ersten Wochen nach der Ankunft, da ist Lernfähigkeit und Anpassung gefragt.
2. Hat sich der norwegische Arbeitsmarkt in den letzten Jahren gewandelt?
Ja, sehr! Als ich in 2002 anfing Handwerker zu vermitteln, waren zum Beispiel Polen und andere osteuropäische Länder nicht in der EU. Als Polen Mitglied wurde, kamen Handwerker vom Bau und wurden von Zeitarbeitsfirmen rekrutiert, fortan war es für mich kaum möglich Zimmerer, Maurer usw. zu vermitteln. Die technischen und mechanischen Berufe habe ich weiter vermittelt, ebenso Ingenieure. Das ist bis heute so geblieben. Durch die Osterweiterung der EU hat sich der Arbeitsmarkt sowohl in der Industrie als auch im Handwerk stark gewandelt.
3. Ist es empfehlenswert ohne eine feste Arbeitsstelle zu haben, nach Norwegen zu ziehen?
Unter Umständen ja! Es kommt auf dem Beruf an. Es lohnt sich nicht für Leute mit “Kommunikationsberufen”, wie z.B. Bürokräfte, Hotelfachleute, u.Ä. da sie ohne Norwegischkenntnisse minimale Chance haben, eine passende Stelle zu finden. Köche zum Beispiel haben da deutlich bessere Aussichten.
4. Für welche Berufsgruppen besteht momentan in Norwegen eine hohe Nachfrage? (Ich habe auf Deiner Webseite eher technische Berufe bzw. für Hotelpersonal gesehen. Wie sieht es mit anderen Bereichen, oder auch Fachkräften im Pflegebereich aus? Ärzte, Krankenschwestern- und pfleger*innen, usw.)
Für sehr viele Auswanderer geht es nicht darum, in welchen Branchen hohe Nachfrage bestehen. Ohne sehr gute Norwegischkenntnisse und eine Berufsanerkennung (Autorisasjon) wird man keine Stelle bekommen in der Altenpflege, in einer Hotelrezeption, in einem Krankenhaus als Arzt oder in der Krankenpflege.
Ich vermittle ausschließlich Fachkräfte, die ab Tag 1 im Beruf sofort anfangen können zu arbeiten, ohne Norwegischkenntnissse aber mit recht guten Englischkenntnissen. Das gilt insbesondere für die meisten Kfz-Berufe, Techniker, Industriefachkräfte, Köche, technische Zeichner, Dachdecker, Zimmerer, Tischler in der Möbelindustrie, Maurer. Kurz: Berufe wo eine reibungslose Kommunikation mit Kunden, Lieferanten, Vorgesetzten und Kollegen nicht unbedingt wichtig ist ab Tag 1.
5. Welche Voraussetzungen sollte ein*e Bewerber*in mitbringen, damit die Bewerbung für die Arbeitsstelle in Norwegen erfolgreich verläuft?
Ein Gesellenbrief in einem der genannten Berufe, mindestens 3 Jahre Berufserfahrung nach der Lehre, recht gute Englischkenntnisse, die Bereitschaft sein Lebensmittelpunkt nach Norwegen zu verlagern für mindestens 1 Jahr. Was sehr hilfreich ist: Wenn man die Möglichkeit und die Mittel hat, um nach Norwegen zu fahren um den Arbeitgeber persönlich kennen zu lernen im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs. Die meisten Arbeitgeber schätzen dieses Zeichen der Motivation sehr.
6. Mit welchen Kosten muss ein*e Bewerber*in rechnen: Fallen Kosten für die Bewerbung an? Welche Kosten fallen nach der Ankunft in Norwegen an?
Die Vermittlung und alles was ich für den Bewerber leiste, sind immer komplett kostenlos, inklusive Übersetzungsarbeiten, Wohnungssuche, etc. Für den Bewerber fallen häufig eine Kaution für die Wohnung an, die in der Regel 3 Monatsmieten betragen, ggf. nötigen private Anschaffungen an, sowie Lebenserhaltungskosten für die ersten 4 Wochen bis das erste Gehalt auf dem Konto ist.
7. In welchen Regionen in Norwegen wird vor allem nach ausländischen Arbeitskräften gesucht? Kann ein*e Bewerber*in sich aussuchen, wo er/sie arbeiten möchte?
Es kommt auf dem Beruf an. Wenn es um Kfz-Berufe geht, sind die Chancen groß in der gewünschten Gegend wohnen und arbeiten zu können, da es ein absoluter Mangelberuf ist - fast in ganz Norwegen. Natürlich werden viele Fachkräfte in den Großstädten wie Oslo, Bergen und Stavanger gesucht. Da wohnen ja auch die meisten Norweger.
8. Wenn die Bewerbung erfolgreich war: Welcher Zeitraum liegt für gewöhnlich zwischen Bewerbungsprozess und Antritt der Arbeitsstelle in Norwegen?
Zum einen sind die Bewerber berufstätig und haben oft mindestens eine Kündigungsfrist von 4 Wochen, häufig auch 3 Monate. Zum anderen kann es dauern, bis ich die passende Stelle gefunden habe. Das kann durchaus 3-4 Monate dauern, auch dann wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind.
9. Sind die Löhne in Norwegen wirklich so viel höher als in Deutschland?
Nein, für Ingenieure stimmt es nicht. Ich höre immer wieder, dass Fachkräfte sehr viele unbezahlten Überstunden leisten müssen in Deutschland, oder sie arbeiten deutlich mehr als 40 Stunden die Woche und werden dementsprechend entlohnt. Wenn man da den Lohn für 50-60 Wochenstunden vergleicht mit 37,5 Wochenstunden, was in Norwegen die gängige Arbeitszeit ist, hinkt der Vergleich. Wenn die Hoffnung auf einer deutlich bessere Bezahlung die einzige Motivation ist, nach Norwegen zu ziehen, kann man enttäuscht werden.
Viele Fachkräfte, auch Ingenieure die Kinder haben, möchten in Norwegen jedoch arbeiten um ihre Kinder im wachen Zustand kennen zu lernen, das wird mir oft als Motivation genannt. Man verzichtet quasi auf ein hohes Gehalt und wählt dafür Familienleben. Ingenieure haben allerdings eine steile Gehaltskurve, wenn sie gute Qualifikationen haben. Im Allgemeinen gilt: Nach der 6-monatigen Probezeit wird der Lohn neu verhandelt.
10. Was passiert, wenn es dem/der Auswander*in nicht in Norwegen gefällt? Wie einfach ist es, die norwegischen Arbeitsverträge wieder zu beenden?
Während der Probezeit gilt eine gegenseitige Kündigungsfrist von 2 Wochen, danach in der Regel 4 – 8 Wochen. Vorher sollte man ein Gespräch mit dem Vorgesetzen suchen. Es bedarf eine schriftliche Kündigung. Wenn man sich wohl fühlt und eigentlich gern bleiben möchte, aber aus familiären Gründen nach Deutschland zurück muss, sollte man zunächst unbezahlten Urlaub beantragen, statt gleich zu kündigen.